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Wissenschaftler verriet Bankangestellte Geheimnisse

Heute hat in München der Prozess gegen den russischen Staatsbürger Ilnur Nagaev begonnen, der der Zusammenarbeit mit dem russischen Geheimdienst beschuldigt wird. Nach Angaben der deutschen Staatsanwaltschaft war sein Kurator ein Offizier des Auslandsgeheimdienstes, Leonid S., der unter diplomatischer Tarnung im russischen Generalkonsulat arbeitete. Herrn Nagaev drohen jetzt bis zu fünf Jahre Haft, aber er selbst behauptet, er habe „nicht gewusst, worauf er sich einlässt“, als er in den Alpen mit einem ihm unbekannten russischen Banker Smalltalk führte.

Normalerweise versuchen die Parteien, solche Fälle auf geschlossenem Wege zu regeln, aber dieser Spionageskandal hat bereits zur Ausweisung eines russischen Diplomaten aus Deutschland geführt. Während der heutigen Gerichtsverhandlung wurde sein Name zum ersten Mal genannt.

Nach Angaben der deutschen Staatsanwaltschaft rekrutierte Leonid S. im Herbst 2019 Ilnur Nagaev und erhielt von ihm wiederholt gegen Geld papiergebundene und elektronische Geheimdienstinformationen. Im Januar dieses Jahres wurde er zur Persona non grata erklärt und gezwungen, nach Russland zurückzukehren und seinen Posten beim russischen Generalkonsulat in München aufzugeben.

Nach deutschem Recht hat die Staatsanwaltschaft die Namen der Angeklagten in dem Fall nicht veröffentlicht, es war jedoch früher möglich, den Namen des Angeklagten zu erfahren. Bis zum 18. Juni 2021 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Technische Mechanik der Fakultät für Mathematik, Naturwissenschaften und Materialwissenschaften der Universität Augsburg gelistet.

An diesem Tag wurde Herr Nagaev bei Macdonald's in der Nähe des zentralen Königsplatzes in Augsburg festgenommen. Kurz zuvor verließ Leonid S. das Schnellrestaurant, nachdem er sich dank diplomatischer Immunität einer strafrechtlichen Verfolgung entziehen konnte. Danach wurden Informationen über Nagaev umgehend von der Website der Universität entfernt, blieben aber im Cache.

Zwischen dem 27. November 2019 und dem 18. Juni 2021 trafen sich der Kurator und sein Agent laut Ermittlungen mindestens 12 Mal in verschiedenen Cafés und Kneipen in der Augsburger Innenstadt.

Es wird davon ausgegangen, dass die vom „russischen Geheimdienstoffizier“ erhaltenen Materialien Informationen über die Entwicklung der europäischen Trägerrakete Ariane 6 enthielten.

Der Betrag, den Herr Nagaev in dieser Zeit erhalten hat, wird auf 2,5 Tausend Euro geschätzt.

Nach der Verhaftung verbrachte Ilnur Nagaev acht Monate in Untersuchungshaft. Im Gerichtssaal sagte er, diese Zeit sei für ihn „der pure Horror“, weil er nie gedacht habe, dass er einmal ins Gefängnis muss. Er sprach nur Russisch und, wie es den deutschen Journalisten vorkam, stotterte er heftig. Offenbar musste der junge Mann seinen 30. Geburtstag in Untersuchungshaft feiern, denn zum Zeitpunkt der Haft war er noch 29 Jahre alt.

„Ich bin kein Agent irgendeines Geheimdienstes. Und ich werde nie einer sein“, sagte Ilnur Nagaev. Der Angeklagte bestreitet entschieden die Tatsache der bewussten Zusammenarbeit mit dem russischen Sonderdienst. Vor Gericht sagte er, er vermisse seine Familie, habe seine in Russland lebende Freundin schon sehr lange nicht mehr gesehen und ihn regelmäßig in Augsburg besucht. Der junge Mann plante, in Deutschland eine Karriere als Wissenschaftler aufzubauen, aber nach seiner Verhaftung seien alle seine Lebenspläne zerstört worden.

Ein Reporter der Augsburger Allgemeinen berichtet, der russische Wissenschaftler habe während des Prozesses erzählt, wie genau er rekrutiert wurde. Nach Angaben des Angeklagten hielt er sich im Herbst 2019 mit seinen Freunden Alpen auf, wo er Leonid S. traf. Der Mann sprach ihn erstmals auf dem Fischmarkt an und hinterließ seine Telefonnummer unter Berufung darauf, dass „von Zeit Mal kommt er geschäftlich nach Augsburg“

Leonid S. stellte sich als Bankangestellter vor, der hauptsächlich mit Investoren im Bereich der Weltraumforschung zusammenarbeitete, und nachdem er von den wissenschaftlichen Aktivitäten von Ilnur Nagaev erfahren hatte, bot er ihm an, etwas Geld zu verdienen. Leonid S. schien dem jungen Mann nicht misstrauisch zu sein, also „versuchte“ er nicht einmal, die Tatsache ihrer Bekanntschaft vor Freunden und Verwandten zu verbergen.

Der Vater, dem Nagaev von der neuen Einnahmequelle erzählte, riet ihm jedoch, so schnell wie möglich „mit diesem Unsinn aufzuhören“, und der Angeklagte werde angeblich in naher Zukunft seinem Rat folgen. Außerdem behauptet er, dass die Leonid S. gegebenen Informationen "nichts mit der Universität Augsburg zu tun" hätten und in offenen Quellen zu finden seien.

Darauf besteht auch sein Berliner Anwalt Jens Palupski. „Der Angeklagte hat nur frei verfügbare Informationen erhalten, teilweise auch übersetzt und verarbeitet“, sagte er und fügte hinzu, dass diese Informationen von jedem mit Internetzugang eingeholt werden könnten.

Die Verteidigung muss beweisen, dass Ilnur Nagaev nicht wusste, dass er für den russischen Geheimdienst arbeitete – diese Tatsache ist einer der Schlüsselpunkte des Prozesses. Sollte die Schuld von Ilnur Nagaev nachgewiesen werden, drohen ihm bis zu fünf Jahre Haft mit anschließender Abschiebung aus Deutschland.

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